Das Tournee-Leben. Ein seltsamer Ausnahmezustand, der seinen eigenen Gesetzen folgt.
Im Laufe der letzten Jahre war ich mit den verschiedensten Produktionen auf Tournee. Angefangen mit der „Feuerzangenbowle“, über „Mein Freund Wickie“ und „KeinOhrHasen“, bis zu unserer derzeitigen, vierten „Rubbeldiekatz“ Tournee - als freier Schauspieler kommt man viel herum.
Kaum eine Kleinstadt zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen, in die wir nicht irgendwann geschickt wurden um unseren „Kulturauftrag“ zu erfüllen.
Viele der bereisten Städte und Gemeinden waren einem vorher gänzlich unbekannt. Und ebenso viele werden auch schnellstmöglich wieder vergessen. Manchmal entdeckt man aber auch kleine Perlen. Freut sich über Flecken im Land, die man sonst nie entdeckt hätte und wird menschlich oder kulinarisch bereichert. Öfter noch ist man aber froh, dass man ganz woanders seine Heimat hat. Natürlich bleibt einem auf Tournee immer nur Zeit für einen kurzen Einblick. Der Kontakt zu den Menschen vor Ort ist meist auf kurze Gespräche im Hotel oder nach der Vorstellung beschränkt.
Der ewig gleiche Tagesablauf zehrt jedenfalls – nach ein paar Tagen – ordentlich an den Kräften.
Tournee-Leben ist fast wie ein ewiger Murmeltiertag.
1.Aufwachen und kurz orientieren in welcher Stadt man sich befindet.
2.Das Badezimmer im Hotelzimmer suchen.
3.Das Frühstück nicht verpassen. (Die einzig sichere Mahlzeit des Tages.)
4.Koffer packen.
5.Autobahn.
6.Raststätten-Stopp ( Kaffee ca. 4€ , Pipimachen durchschnittlich 70 Cent)
7.Autobahn.
8.Autobahn.
9.Ankommen in der neuen Stadt. (Wer soll denn hier bloß ins Theater gehen?)
10.Check-in (Wie lange gibt es Frühstück, wie ist der Wlan Code?)
11.Zimmer begutachten. (Doppelbett? Badewanne? 0,3l Wasser für 3.70?!?! Whaaaat?)
12.Koffer auspacken.
13.Mittagessen beschaffen. (Verdammt ist der, der versucht zwischen 15h und 17h etwas warmes zu essen zu finden. Dieses Zeitfenster ist in deutschen Kleinstädten nicht für die Nahrungsaufnahme vorgesehen. Manchmal bleibt einem nur das Restaurant vom Schuhcenter Lüdinghausen - ACHTUNG, ES IST ABSOLUT NICHT ZU EMPFEHLEN!)
14.Kurz im Zimmer ausruhen und über das schlechte Wlan ärgern.
15.Abfahrt ins Theater
16.Das tun, weshalb man alles andere tut. Eine Theatervorstellung spielen. Man kann nur hoffen es kommt gut an, denn dann lohnt sich der ganze Aufwand irgendwie.
17.Rückfahrt ins Hotel.
18.Mit viel Glück gibt es noch irgendwo etwas zu essen. Allerdings bleiben, in deutschen Kleinstädten, nach 22h die Küchen meist kalt. Vorbestellungen im Hotelrestaurant können manchmal helfen. Ansonsten wird das Abendessen in flüssiger Form zu sich genommen.
Haben die Franziskanermönche ja auch so gemacht.
19.Ins Hotelbett. (Wenn die Zimmerkarte denn noch funktioniert)
20.Schlafen, morgen hat man eine lange Fahrt vor sich.
Und das ganze von vorne.
Kaum zu glauben, dass manche Schauspieler teilweise das ganze Jahr über auf Tournee sind.
Was tut man nicht alles für Punkt 16.
Liebe Grüße,
Oliver
Oben: Das schöne an einer Tournee.
Unten: Frittierte Schuhsohle im Schuhcenter Lüdinghausen.
Nachtrag 02.03.2017 - Dank meiner lieben Kollegin Angelika Mann – die so lieb war ihn zu teilen – hat dieser Artikel mehr an Aufmerksamkeit bekommen als für mich zu erwarten war. Das hat einige, teils überraschende, Reaktionen erzeugt. Ich möchte deshalb nur kurz darauf hinweisen, dass man in diesem Fall nicht alles was ich schreibe so ernst nehmen soll, dass ich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Vollständigkeit hege und mir durchaus bewußt bin, dass es Leute gibt die es schlechter haben als ein Schauspieler auf Tournee. Leute, ich liebe meinen Job.